Drei Formen der Kindeswohlgefährdung

Wir werden oft gefragt, wie man eine mögliche Kindeswohlgefährdung erkennen kann.

Dieses Schaubild gibt zunächst einen Überblick über die verschiedenen Formen:

Du siehst drei Formen, durch die das Wohl Deines Kindes gefährdet werden kann: Misshandlung – Vernachlässigung – sexualisierte Gewalt.
Wir erklären Dir hier alle drei.

Misshandlung

Auf der Ebene der körperlichen Gewalt gehören alle Formen von Gewalt gegen Kinder und Jugendliche, die zu einer körperlichen Verletzung führen oder führen können. Erwachsene, die Kinder und Jugendliche körperlich misshandeln, nehmen mit Absicht in Kauf, dass ernsthafte körperliche Verletzungen entstehen. Aber auch wenn keine körperlichen Verletzungen oder sichtbare Wunden entstehen, sprechen wir von körperlicher Misshandlung, wenn ein Kind oder ein*e Jugendliche geschlagen, getreten, gebissen, gekniffen, geschüttelt, gewürgt, verbrüht, verbrannt oder unterkühlt wird. Hinzu kommen seelische Schäden für die Kinder und Jugendlichen.

Auf der Ebene der psychischen Misshandlung finden wir unterschiedliche Situationen: Eine dauernde Überbehütung und das Einengen von kindlichen Erfahrungsräumen gehört dazu, als andere Seite der Medaille aber auch übertriebene, unrealistische Erwartungen an das Kind oder den Jugendlichen. Wichtig ist hier zu wissen, dass es hierbei nicht um punktuelle Erwartungen geht, wie z.B. dass Du eine gute Note in der Mathearbeit Deines Kindes verlangst, sondern dass diese Erwartungen ein Teil der dauerhaften Erziehung sind. Auch die feindliche, ablehnende oder ignorierende Verhaltensweise als fester Bestandteil der Erziehung gehört zur seelischen Misshandlung und wenn Kinder bewusst isoliert werden. Wenn Kinder und Jugendliche Zeug*innen werden von Gewalt zwischen den Eltern oder häuslicher Gewalt gegenüber Geschwistern sprechen wir ebenfalls von psychischer Misshandlung. 

Vernachlässigung 

Der Bereich der Vernachlässigung ist breit gefächert. Wichtig ist für Dich zu wissen, dass wir auch hier nicht von punktuellen Momenten sprechen, sondern dass ein wiederholtes oder andauerndes Unterlassen von fürsorglichem Handeln durch Eltern und Erziehungsberechtigte gemeint ist. Wenn ein Kind beispielsweise im Winter ohne warme Jacke herum läuft, ist es nicht automatisch ein Zeichen für Vernachlässigung. Vielleicht hat er oder sie die Jacke einfach zuhause vergessen. Wenn wir aber mitbekommen, dass Kinder und Jugendliche immer wieder unangemessen gekleidet sind, immer wieder unzureichende Körperhygiene wie ungeputzte Zähne, starken Körpergeruch oder Kotreste auf der Haut haben, dann sollten wir das Ganze beobachten. Manchmal kann es sein, dass Du das Gefühl hast, dass ein* Freund*in Deines Kindes zuhause vernachlässigt wird, dann kann es helfen, ein Vermutungstagebuch zu führen: Kurz mit Datum die Beobachtung notiert und über ein paar Wochen das Ganze für Dich persönlich schriftlich festhalten. Dann weißt du, ob Du mit Deinem mulmigen Bauchgefühl richtig lagst oder eben auch nicht.

Auch im Bereich der Vernachlässigung sprechen wir wieder nicht nur von der körperlichen Ebene – genauso spielt die psychische und emotionale Ebene hier mit ein. Ein Mangel an Wärme und Fürsorge, wenig Gespräche und Konversation mit dem Kind oder Jugendlichen, all dies gilt als psychische Vernachlässigung – hier gilt auch wieder: Wenn das Ganze dauerhaft oder über einen längeren Zeitraum der Fall ist. Wenn die erzieherische Einflussnahme fehlt, beispielsweise Kinder und Jugendliche immer wieder zu altersunangemessenen Zeiten an gefährlichen Orten sind und Eltern darauf keinen Einfluss nehmen, sprechen wir von unzureichender Beaufsichtigung.

Sexualisierte Gewalt

Als dritte Form der Kindeswohlgefährdung gibt es die sexualisierte Gewalt. Von sexualisierter Gewalt sprechen wir, wenn an oder vor einem Kind eine sexuelle Handlung vorgenommen wird. Wichtig hier: Das Kind oder der*die Jugendliche stimmt dem nicht zu und so wird gegen seinen oder ihren Willen gehandelt. Die andere Variante wäre, dass er* sie dem Ganzen nicht verantwortlich zustimmen kann, da er* sie die gesamte Tragweite nicht erfassen kann. Das kann Altersgründe haben oder auch Gründe der geistigen Reife. Dabei benutzten die Täter*innen Kinder oder Jugendliche zur eigenen sexuellen Stimulation und missbrauchen das vorhandene Macht- oder Kompetenzgefälle. Auf der körperlichen Ebene zählt zur sexualisierten Gewalt Küssen, Berühren der Geschlechtsorgane und der Geschlechtsverkehr an sich. 

Auf der seelischen Ebene finden wir unangemessene Gespräche über Sexualität, das zugänglich Machen von Pornographie (in der heutigen zeit des Internets unglaublich einfach) oder auch anzügliche Bemerkungen über den Körper des Kindes oder Jugendlichen. Wenn ich einer zwölfjährigen, die sich in Ihrem Körper unwohl fühlt, weil vielleicht die Brüste und Schamhaare anfangen zu wachsen, sage „Wow, du hast aber dicke Titten bekommen.“ fühlt sie sich vermutlich in Ihrer Haut noch unwohler als zuvor.  

Im Sprachlichen hat sich der Begriff sexualisierte Gewalt durchgesetzt. Wenn ihr die sprachliche Variante „sexueller Missbrauch“ hört, klingt dies irritierend, da wir dann davon ausgehen könnten, dass es  auch einen Gebrauch auf sexueller Ebene gegenüber Kindern und Jugendlichen durch Erwachsene als Pendant zum Missbrauch.  Dies ist aber nicht der Fall!!

Im Jahr 2019 wurden von deutschen Jugendämtern 55.500 Fälle von Kindeswohlgefährdung fest gestellt, in etwa jedem fünften Fall (17%) lag mehr als eine der oben genannten Formen vor.

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